Ich bin nicht wütend. Ich bin überfordert

Teil 4: Linus und Gefühle – Ich bin nicht wütend, ich bin überfordert
Einfach Linus – Ein Kind mit Autismus
Ich heiße Linus. Ich bin acht. Ich weiß, wie sich eine Raubsaurierkralle anfühlt. Ich kann dir erklären, wie der Saturnmond heißt. Aber ich kann oft nicht sagen, wie ich mich fühle.
Manchmal werde ich laut. Oder ich renne einfach weg. Dann sagen die Leute: „Der Linus ist aggressiv.“ Aber das stimmt nicht. Ich bin nicht wütend. Ich bin überfordert.
Wenn zu viele Dinge gleichzeitig passieren – Stimmen, Licht, schnelle Fragen, Berührungen – dann macht mein Kopf zu. Es ist wie ein Sturm. Nur ohne Wind. Aber mit Druck. Druck in meinem Kopf. Druck in meinem Bauch. In meinen Händen.
Manchmal möchte ich weinen. Aber ich kann es nicht. Also schreie ich. Oder ich schlage auf den Tisch. Das ist kein Trotz. Das ist Not.
Mama hat das irgendwann verstanden. Sie sagt dann nicht: „Jetzt beruhig dich endlich!“ Sie sagt: „Ich sehe, es ist dir gerade zu viel.“ Und sie wartet. Einfach nur da sein. Das hilft mehr als tausend Worte.
Ich habe gelernt, dass ich eine Pause machen darf. Dass ich nicht „seltsam“ bin, nur weil ich länger brauche. Ich darf meine Gefühle in Farben malen. Ich darf sie durch Kneten, Atmen oder Hüpfen ausdrücken. Ich darf sie SEIN lassen.
Gefühle sind nicht immer leise. Und sie sind nicht immer sichtbar. Aber sie sind echt. Und sie gehören zu mir. Wie mein Herz. Und mein Kopf. Und meine Dinosaurier.
Ich bin Linus. Und ich bin nicht zu empfindlich. Ich bin empfindsam.
Einfach Linus. Ein Kind mit Autismus. Ein Kind mit echten Gefühlen.