Was hinter dem "Wutanfall" wirklich steckt

ADHS aus Kindersicht erklärt
„Mein Kind flippt ständig aus!“ – Diesen Satz hören wir oft von Eltern. Doch was, wenn wir den sogenannten "Wutanfall" nicht als Trotz oder Ungehorsam sehen, sondern als Hilferuf? Besonders bei Kindern mit ADHS stecken hinter scheinbar impulsiven Ausbrüchen oft ganz andere Bedürfnisse. In diesem Beitrag möchten wir die Perspektive wechseln – und das Kind zu Wort kommen lassen.
Aus Sicht des Kindes: "Ich will ja, aber es geht einfach nicht!"
„Ich will ruhig bleiben, wirklich. Aber dann passiert alles so schnell. Mein Herz klopft laut, mein Bauch tut weh, mein Kopf schreit 'Nein!'. Ich weiß, dass ich schreie oder haue – aber es fühlt sich an, als ob mein Körper schneller ist als ich.“
Kinder mit ADHS erleben Gefühle oft viel intensiver und ungefilterter. Ihre Impulskontrolle – also die Fähigkeit, eine Handlung zu stoppen oder zu überdenken – ist noch nicht vollständig entwickelt. Während andere Kinder lernen, Frust wegzustecken oder zu benennen, kommt es bei ADHS-Kindern oft zu einer „emotionalen Überladung“.
Was ist eigentlich ein „Wutanfall“?
Viele Erwachsene beschreiben impulsive Ausbrüche als „Wutanfälle“. Dabei handelt es sich oft um eine Mischung aus Frust, Überforderung, Angst oder Traurigkeit – verpackt in einer lauten Reaktion. Das Kind will etwas mitteilen, aber die Worte fehlen. Stattdessen übernehmen Körper und Emotionen die Regie.
Typisch sind:
- plötzliches Schreien, Weinen oder Schlagen
- scheinbar „übertriebene“ Reaktion auf Kleinigkeiten
- Rückzug oder „Zusammenbruch“
- Gefühl von Kontrollverlust beim Kind selbst
Was steckt wirklich dahinter?
Hinter einem Wutanfall können viele Bedürfnisse liegen – besonders bei Kindern mit ADHS:
Bedürfnis | Mögliche Ursache |
---|---|
Ruhe | Reizüberflutung durch Lärm, Licht oder viele Menschen |
Verstanden werden | Sprachliche oder emotionale Überforderung |
Struktur | Unerwartete Änderungen oder unklare Anweisungen |
Wertschätzung | Frust durch ständiges Korrigieren oder Scheitern |
Selbstwirksamkeit | Das Gefühl, nichts richtig zu machen oder ständig „schuldig“ zu sein |
Was Eltern tun können
- 1. Bleib ruhig – auch wenn’s schwerfällt.
Dein ruhiges Verhalten wirkt wie ein Anker. Atme tief durch, auch wenn du innerlich kochst. - 2. Geh in Verbindung, nicht in Konfrontation.
Sätze wie „Ich sehe, dass du dich gerade sehr aufregst. Ich bin da.“ helfen mehr als Drohungen. - 3. Gefühle benennen statt bewerten.
„Du bist gerade richtig wütend, oder? Das fühlt sich bestimmt doof an.“ – hilft Kindern, Worte für ihr Chaos zu finden. - 4. Nach dem Sturm: gemeinsam reflektieren.
Nicht direkt in der Situation – aber später, liebevoll: „Was hätte dir geholfen?“ - 5. Hilfsmittel nutzen.
Gefühlskarten, Wutmonster-Bilder, Emotionsbarometer oder ein Wuttagebuch können helfen, Emotionen sichtbar zu machen.
Download-Tipp
Du findest im Downloadbereich bald passende Arbeitsblätter, z. B. unser Wutmonster-Poster, eine Ruhebox-Bastelvorlage und ein Kindergesprächsblatt.
Fazit: Wut ist kein Zeichen von „schlechtem Benehmen“
Ein Kind mit ADHS ist nicht gegen dich. Es kämpft oft für sich selbst. Ein sogenannter „Wutanfall“ ist kein Angriff – sondern ein Zeichen dafür, dass das Nervensystem überfordert ist. Kinder brauchen in diesen Momenten nicht mehr Strafen, sondern mehr Verständnis und Begleitung.
„Wenn ich schreie, heißt das nicht, dass ich böse bin. Es heißt, dass ich dich brauche.“
– ein Kind mit ADHS